Aufschwung der Niedriglöhne

von hpm

Dieser Artikel aus der UZ wurde im Rahmen der Montagsdemo am 09.07.2007 als Montagsinfo der DKP auf dem Bismarkplatz in Heidelberg verteilt.

Bundesweit lässt die große Koalition des Kapitals in den Medien den Aufschwung feiern. „Nur“ noch 3,69 Millionen offiziell gemeldete Arbeitslose. Der Boom bringe Jobs, selbst ein „Fachkräftemangel“ wird ausgemacht – ein Hohn gegenüber mehr als 200 000 Lehrstellensuchenden, die in diesem Herbst wieder leer ausgehen werden.


Die Zahl 3,69 Millionen blendet 230 845 Arbeitslose aus, die an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen. Und 310 000 Menschen, die – größtenteils gezwungen – einen Ein-Euro-Job ausüben. Die 30 100 ABM-Kräfte und 213 700 geförderte Existenzgründer fehlen gleichfalls. 292 000 Arbeitslosengeld-Empfänger werden nicht als arbeitslos geführt, weil sie eine vorruhestandsähnliche Regelung in Anspruch nehmen, arbeitsunfähig erkrankt sind oder sich in einer Trainingsmaßnahme befinden. Hunderttausende haben mit der Hartz-Gesetzgebung jeden Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung verloren. „470 000 Arbeitslosengeld-II-Bezieher waren nicht arbeitslos gemeldet, weil ihr Erwerbseinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze von 400 Euro liegt“, schreibt die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Juni in ihrem Bericht.

„Zur Abnahme der Arbeitslosenzahl (hat) neben dem positiven konjunkturellen Umfeld auch … die systematische Überprüfung des Arbeitslosenstatus beigetragen“, stellt der Bericht fest. Eine gelungene Umschreibung für häufig rechtswidrige Vorenthaltung von Leistungen der ARGEn gegenüber ALG-II-Antragstellern. Dieser Druck auf Arbeitslose geschieht flächendeckend und mit System.

Die andere Schattenseite des Aufschwungs: Unter der Oberfläche einer steigenden Konjunkturwelle werden hunderttausendfach die Stammbelegschaften von Betrieben durch Niedriglöhner ersetzt. Die Große Koalition hat dazu in den vergangenen Jahren die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Mit der Ausweitung der Leiharbeit und Arbeitnehmerüberlassung, Out- und Insourcing sowie dem systematischen Herausmobben von Stammbelegschaften steht bundesweit eine massive Absenkung des Lohnniveaus sowie der Realverlust von Arbeitnehmerrechten auf der Tagesordnung. „Wenn ein Leiharbeitnehmer die linke Türe eines Autos einbaut und dafür 6,50 Euro pro Stunde erhält, während sein Nachbar am Band, der die rechte Türe einbaut, einen Stundenlohn von ca. 17 Euro bekommt, so ist das nichts anderes als ein skandalöses Bereicherungsprogramm der Arbeitgeber auf dem Rücken der Arbeitnehmer“, sagte der bayerische IG-Metall-Bezirksvorsitzender Werner Neugebauer. 274 000 „neuer“ Beschäftigungsverhältnisse werden „zum größten Teil von Arbeitnehmerüberlassung getragen“, heißt es im bereits zitierten Bericht der BA. Dahinter steckt der Trend, dass Großbetriebe Personaldienstleistungsgesellschaften gründen, Leiharbeitsfirmen, die nur konzernintern tätig werden. Diese Leiharbeitsfirmen bedienen sich in erster Linie Kollegen, die sich nach Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitslosigkeit und einem Arbeitsvertrag bei der Leiharbeitsfirma entscheiden können. Die Angst vor Hartz IV wird schamlos ausgenutzt. Neue Tarifverträge für Zeitarbeit sichern die damit verbundene Lohnsenkung rechtlich ab. Die bayerische IG Metall hat aktuell reagiert und eine Kampagne zur Stärkung der Rechte von Leiharbeitern beschlossen.

Die Spaltung der Belegschaften wird zukünftig weiter zugespitzt. Zu den noch von Kürzungen Verschonten kommt die bereits tariflich „abgesenkte“ Stammbelegschaft und dazu massenhaft eingesetzte Leiharbeiter. Das Prinzip eines einheitlichen Tarifvertrages für eine Branche, selbst für einen Betrieb, wird damit gebrochen. Die Konkurrenz der Arbeiter untereinander wird ins Extreme getrieben.

Die Unternehmern geht es ums Ganze: Sie wollen das Tarifvertragssystem knacken, das Herzstück gewerkschaftlicher Arbeit. Sie wollen die Gewerkschaften kampf- und handlungsunfähig machen. Nur ein offensiver politischer Kampf der Gewerkschaften, verbunden mit der Gegenwehr der Kollegen und entschlossener Betriebsräte kann diese Gefahren abwehren.

Werner Sarbok

Quelle: http://www.dkp-bawue.de/uz/

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