Urteil gegen Ufuk T. vor dem Landgericht Mannheim

Kurze Worte von Matz Müllerschön zum Ausgang des Verfahrens

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde der Montagsdemo,

hier der erste öffentliche Bericht in der Zeitung JW über den Ausgang des Revisionsprozesses gegen Ufuk T. (siehe unten link ) Die örtliche Zeitung MM und RNZ waren nicht anwesend. Plus im Anhang die Stellungnahme von Ufuk T, die vom Rechtsanwalt Günter Urbanczyk vor Gericht verlesen wurde, da er selbst immer noch gesundheitlich angeschlagen ist. Danke für die Überlassung des Textes, der seine tiefen Schmerzen zeigt, aber auch , das weder der JC, noch die Security, noch  die Polizei mit ihrer Gewalt, noch das Gericht mit der Verurteilung ihn mundtod machen konnte.

Offensichtlich ist das System nicht in der Lage oder Willens krasse gewalttätige Fehlentscheidungen verschiedener Institutionen aufzuarbeiten und zu korrigieren.

Die Verantwortlichen für die Gewalttat zu schützen und den Bürger Ufuk T. brutal zusammen zu schlagen und letztendlich doch noch zu verurteilen geht auf Dauer nicht gut. Es kommt aber immer häufiger vor, wie z.B. bei der Seenotrettung, wo die Menschen angeklagt werden, die Menschen retten wollen und nicht die, die sie wegen unterlassener Hilfeleistung ertrinken lassen.

Ufuk T. hat in der Not der Familie sein demokratisches Recht auf Hilfe in Anspruch nehmen wollen.  Zur damaligen Zeit stand für solch einen „Fall“ der nicht selten war, für „Vorschuss“  ein Geldautomat mit Kamera im Foyer. Ein Akt von Minuten, der Vorschuss wird dann vom  verspäteten Bescheid wieder abgezogen.

Als Sozialarbeiter der Ufuk T. ebenso wie sein Betreuer aufforderte zum Jobcenter zu gehen, dass diese als Institution „Abhilfe“ leisten muss, wie es das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in ihrem Beschluss erwähnte, bin ich wie damals der bekannte Liedermacher und Komponisten Konstantin Wecker „empört“ über diesen Ausgang, nachzulesen im damaligen Mannheimer Morgen.

Wir dürfen Ufuk nicht alleine lassen, weder bei den Gerichtskosten, Anwaltskosten und der ungerechten Strafe.

Deshalb spendet auf das Konto von dem gemeinnützigen Verein Üsoligenial Heidelberg Rhein Neckar e.V. 

IBAN: DE40672917000024731006 Zusatz „Für Ufuk“(bei Spendenquittung bitte Name und Adresse nicht vergessen)

Last uns noch enger zusammenrücken

herzliche Grüße

Matz Müllerschön


https://www.jungewelt.de/artikel/454067.gewalt-gegen-arme-straflose-verantwortliche.html

Straflose Verantwortliche

Berufungsverfahren gegen Erwerbslosen, der von Jobcenter abgewiesen und von Polizei verprügelt wurde

Von Susanne Knütter

Der erste Prozess gegen Ufuk T. war eine Farce. Grundlegende Fragen wurden nicht thematisiert, wichtige Zeugen nicht vernommen. Hoffnung bestand, im gut vier Jahre später stattfindenden Berufungsprozess das Unrecht gegen den Erwerbslosen endlich aufklären zu können, der sich im Juni 2018 aus der Not heraus an das Jobcenter in Mannheim wandte und statt einen Vorschuss zu bekommen, von sechs Polizisten verprügelt und verhaftet wurde. Um ein Haar wäre der Berufungsprozess gescheitert, bevor er begonnen hat, weil eine Oberärztin falsche Angaben machte. Kurz vor dem ersten Termin für das Revisionsverfahren am 17. Januar dieses Jahres konnte Ufuk T. dem Druck nicht mehr standhalten und kam wegen Selbstmordgedanken in die Psychiatrie. Wie Matz Müllerschön, Sozialarbeiter und Vorsitzender vom Verein Üsoligenial (Überparteiliche Solidarität gegen Sozialabbau Heidelberg/Rhein-Neckar) am Freitag gegenüber jW erläuterte, sagte die Oberärztin auf Nachfrage des Gerichts damals, Ufuk T. sei vernehmungsfähig. »Ohne ihn zu kennen.« Das hätte für das Gericht ein Grund sein können, die Revision komplett zu verweigern. Statt dessen wurde der Termin verschoben. Am Donnerstag fand der Berufungsprozess im Landgericht Mannheim statt.

Der leitende Richter entschuldigte sich zu Beginn des Prozesses, dass bis zum Berufungsprozess nun mehr vier Jahre vergangen waren. Grundsätzlich aufgerollt wurde der Fall trotzdem nicht. Von seiten des Gerichts hieß es gegenüber jW, dass der Angeklagte seine Berufung »nachträglich auf den Strafausspruch beschränkt hat«. Das hatte zur Folge, dass die zuständige Kleine Strafkammer des Landgerichts Mannheim nur noch über die Höhe der Strafe und nicht mehr über die Tat zu entscheiden hatte. Dem vorhergegangen war ein Gespräch zwischen Rechtsanwalt und Richter, erklärte Müllerschön. Aus dem ging hervor, dass der Staatsanwalt im Berufungsverfahren der gleiche wie im ersten Prozess sein würde. Bereits damals hatte dieser angedroht, Frau und Tochter von Ufuk T., die die Polizeigewalt bezeugt hatten, wegen Falschaussage anzuzeigen. Beide sollten auch im Berufungsverfahren aussagen. Das habe Ufuk T. bewogen, seine Berufung auf die Höhe der Strafe zu beschränken, sagte Müllerschön. Ein wichtiger Grund sei gewesen, dass seine Tochter gerade erst eine Arbeitsstelle bekommen hat.

Die Verantwortlichen für die Tragödie wurden daher nicht zur Rechenschaft gezogen. Bereits im ersten Prozess sei herausgekommen, so Müllerschön, dass es gar kein Hausverbot gegeben hatte, auf das sich die Polizei dann stützte, um einen Platzverweis brutal durchzusetzen. Im Berufungsprozess, so die Hoffnung, sollte endlich auch die Jobcenter-Leitung vernommen werden, was der Richter im ersten Prozess 2019 ablehnte. Aus Sicht von Müllerschön hätte das Jobcenter reagieren und Abhilfe leisten müssen. Ein Geldautomat stand bis dahin für Notlagen wie diese, in der sich Ufuk T. mit seiner Familie befand, zur Verfügung. Und die Polizei hätte nicht eingreifen dürfen. Ufuk befand sich im Recht, als er während der offenen Sprechstunde um einen Vorschuss bat und nicht ging, als man ihm sagte, er solle vier Tage später wieder kommen, wenn seine Sachbearbeiterin wieder im Hause wäre. Seiner Familie (Frau und zwei Kinder, wovon eins zu dem Zeitpunkt im achten Monat schwanger war) stand ein Wochenende mit leerem Kühlschrank bevor.

Am 25. Juni 2019 hatte das Amtsgericht Mannheim Ufuk T. wegen »tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung in weiterer Tateinheit mit versuchter Körperverletzung« zu einer Geldstrafe von 170 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt, obwohl der Prozess zu Tage gefördert hatte, dass Ufuk T. zu keiner Zeit gewalttätig war. Gegen das Urteil hatte im übrigen auch der Staatsanwalt Berufung eingelegt. Weil er eine noch höhere Strafe wollte, so Müllerschön. Letzten Donnerstag setzte der Richter die Sanktion etwas herab. Sie lautet nun 100 Tagessätze zu je zehn Euro. Wegen der Verfahrensdauer gelten zudem 30 Tagessätze als vollstreckt. Im Ergebnis beläuft sich die Geldstrafe damit auf 700 Euro.

Ufuk T., der mittlerweile in einer Notunterkunft wohnt, weil er es zu fünft in der Dreizimmerwohnung nicht mehr ausgehalten habe, ließ vor Gericht eine persönliche Erklärung verlesen und machte am Ende selbst noch mal deutlich, dass er Freispruch möchte. Das Urteil ist weit davon entfernt.

Persönliche Stellungnahme von Ufuk T. vor dem Landgericht Mannheim

Sehr geehrter Herr Richter,
zuerst möchte ich mich entschuldigen, dass ich am 17. Januar zu dem Gerichtstermin nicht ge-
kommen bin. Ich war in einer großen Notlage und wollte gegen die ungerechte Welt mein Leben
auslöschen. Deshalb war ich im PLK Heppenheim. Auch wenn ich dort teilweise nicht gut behan-
delt wurde, war ich froh, dass ich einen Menschen hatte, der mir über die Krise, die ich hatte, ge-
holfen hat und mir nochmal klar machte, dass ich als verantwortlicher Vater und auch für das wer-
dende Enkelkind gutes gemacht habe.
Ich bin zum Jobcenter, weil das Geld, das uns als Familie zusteht, nicht gekommen ist. Der Kühl-
schrank war leer. Wir alle hatten Hunger, besonders meine Tochter, die im 8. Monat schwanger
war. Wir hatten Angst, dass dem Kind im Bauch was passiert. Mein Betreuer hat mich mehrmals
aufgefordert, ja auch ein Sozialarbeiter, direkt zum Amt zu gehen. „Die müssen dir helfen“ haben
sie gesagt. Nachdem ich mehrmals versucht hatte, das telefonisch zu klären. Es war kein durch-
kommen.
Dann bin ich mit meiner Frau und der ältesten Tochter auf zum Jobcenter. Ich habe keine Hilfe be-
kommen, sie sagten, ich soll am Montag wiederkommen. Also erst in 4 Tagen, was sollen wir 5
Personen essen?
Ich blieb, weil wir auch Hunger hatten. Herr Richter, Sie wissen, ich habe mich weder aggressiv
noch laut verhalten. Ich hatte auch kein Hausverbot, wie teilweise behauptet.
Es war ein Fehler vom Amt, unserer Familie nicht zu helfen, das heißt „Abhilfe“ zu leisten. Das
heißt Vorschuß, oder, oder
Das Amt hätte auch nicht die Polizei rufen dürfen, die Polizei nicht gegen mich in meiner Not Ge-
walt anwenden. Und das Gericht hätte mich nicht verurteilen dürfen. Dann wäre ich auch nicht in
die Psychiatrie gekommen. Die Verantwortlichen für all das stehen nicht vor Gericht.
Ich bin immer noch gesundheitlich angeschlagen. Da ich mit 5 Personen und 3 Generationen aus
gesundheitlichen Gründen nicht mehr zurück in die kleine 3 Zimmer Wohnung kann, lebe ich in ei-
ner Notunterkunft in Viernheim.
Herr Richter ich nur meine Pflicht als Vater gemacht. Als guter Vater hätten Sie sicher das gleiche
gemacht. Ich hätte mir gewünscht, dass ich hier freigesprochen werde. Um weiteren Schaden von
meiner Familie abzuwenden, habe ich der Beschränkung des Rechtsmittels zugestimmt.
Meinen Rechtsanwalt Herrn Urbanczyk bitte ich, meine Gefühle und Sichtweise, was passiert ist,
vorzutragen, da ich gesundheitlich immer noch angeschlagen bin.
Danke.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert